12.03.2024

Reform der Werkstätten für behinderte Menschen

Rund 300.000 Menschen mit Behinderungen arbeiten hier zu Lande in speziellen Werkstätten. Nur in wenigen Fällen gelingt der Übergang von den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) erläutert in einer Stellungnahme, was die geplante Reform der WfbM aus menschenrechtlicher Sicht umfassen muss, um den Übergang zu verbessern und um der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gerecht zu werden.

Das DIMR betont mit Blick auf das Reformvorhaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS): „Handlungsleitend für die Reform des Werkstätten-Systems muss sein, segregierende Strukturen nicht länger zu perpetuieren, sondern aufzubrechen und zu verringern: Laut UN-Fachausschuss sind grundlegende Merkmale eines inklusiven Systems effektive Übergänge vom Lernen in der Schule zu beruflicher Bildung und Hochschulbildung bis schließlich zur Arbeit.“ Deutschland sei als Vertragsstaat ohne Abstriche der UN-BRK verpflichtet und müsse Menschen mit Behinderungen die Teilhabe an (Berufs-)Bildung und Erwerbsleben gleichberechtigt mit Menschen ohne Behinderungen gewährleisten.

Das Positionspapier betont deshalb das Recht auf inklusive Berufsausbildung. Es solle keine besonderen Maßnahmen außerhalb des Regel-Ausbildungssystems geben, welche die Segregation noch verstärken. Derzeit gebe es zwei parallele Systeme in Form eines Regel-Ausbildungssystems für Menschen ohne Behinderungen und ein separates System für Menschen mit Behinderungen. Notwendig sei eine Vielfalt an inklusiven Ausbildungsoptionen sowie eine vorurteils- und diskriminierungsfreie Berufsorientierung. Bedeutend sei dabei die Öffnung und Flexibilisierung der Inhalte und Lehrpläne der anerkannten Ausbildungsberufe im Regel-Ausbildungssystem.

Beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt seien Barrieren abzubauen. Betroffene benötigten eine fachkompetente Beratung, Unterstützung und Begleitung; Arbeitgeber passende Rahmenbedingungen. „Es braucht eine reibungslose Anschlussfinanzierung und Unterstützungsleistungen unabhängig vom Arbeitsort. Arbeitsplatzunabhängige Unterstützungsleistungen müssen gefördert werden und die hierfür entwickelten Instrumente (Budget für Arbeit, Budget für Ausbildung, Unterstützte Beschäftigung) offener, durchlässiger und vor allem anschlussfähiger für eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gestaltet werden“, so das Positionspapier.

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der BMAS-Entgeltstudie plädiert das DIMR für die Einführung des Mindestlohns. Im Rahmen der Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-BRK empfiehlt der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dass WfbM-Beschäftigte in vollem Umfang durch Arbeits- und Sozialschutzmaßnahmen, einschließlich des nationalen Mindestlohns, abgedeckt sind.

Unabhängig von der Ausprägung ihrer Beeinträchtigung haben alle Betroffenen – auch mit komplexen Behinderungen – das gleiche individuelle Recht auf Arbeit und Beschäftigung nach Artikel 27 UN-BRK. Ob ein „Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung“ (§ 219 Abs. 2 SGB IX) geleistet werden kann oder nicht, verringere die Rechtsposition nicht, so das DIMR. Ein solches Zugangskriterium sei konventionswidrig und widerspreche dem Rehabilitationsgedanken sowie den Grundsätzen der Selbstbestimmung.

(Quelle: Deutsches Institut für Menschenrechte e. V., DIMR)

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